Geschichte des Dessauer Militärs

Die Geschichte des Militärs in Dessau
Anhaltische Jäger zu Pferd um 1813

Vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Weimarer Republik beschreibt Bernhard Hein die Geschichte des Militärs in Dessau und Anhalt.

Zu den Einheiten in Anhalt-Dessau zählten u.a. das 93. Infanterieregiment, das Regiment Anhalt und das Anhaltische Infanterie Regiment. Anhalts Militär kämpfte in den napoleonischen Kriegen sowohl an der Seite Napoleons, als auch an der Seite Russlands gegen ihn.

Während des Ersten Weltkrieges fallen 110 Soldaten des Dessauer Regiments während der Marnesschlacht im Herbst 1914. 265 werden verwundet. Das Infanterieregiment 93 nimmt im Frühjahr 1918 an der Großen Schlacht in Frankreich teil und wird am 09. April an der Lys eingesetzt.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg werden in Anhalt-Dessau, wie in fast allen deutschen Städten, Freiwilligenverbände gebildet die nach der endgültigen Auflösung des kaiserlichen Heeres zum neuen Reichsherr der Weimarer Republik werden.

Vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon
Anhaltische Jäger zu Pferd um 1813

Die Anfänge des anhaltischen Militärwesens liegen weit zurück. Der Dreißigjährige Krieg mit seinen Folgen ergab in allen kleineren Staaten die Notwendigkeit, ständig eine Anzahl Soldaten unter Waffen zu halten. So entstand um das Jahr 1670 in Dessau eine Trabanten-Kompanie, in Zerbst zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Grenadiergarde, in Bernburg zur gleichen Zeit eine Gardekompanie. Köthen hatte bereits im Jahr 1610 ein Stadtfähnlein geschaffen, welches ein Jahrhundert später zu einer Grenadier-Garde ausgebaut wurde.

Im Reichskrieg 1734 gegen Frankreich stellte man aus den einzelnen Kontingenten ein Bataillon zusammen. Nach dem Feldzug kam das Bataillon zurück nach Aken und wurde hier bald wieder aufgelöst. Auch in den Kämpfen des Siebenjährigen Krieges stellte Anhalt Truppen für das Reichsheer. Noch im Jahr 1757 zahlten die anhaltischen Fürsten jährlich 20.000 Taler in die Reichskriegskasse. Da Friedrich der Große alle wehrfähigen jungen Männer anwerben bzw. in den Waffenrock pressen ließ, unterstützte Anhalt damit beide kriegführenden Parteien.

Nach dem Tod des letzten Fürsten von Anhalt-Zerbst am 3. März 1793 wurde der größte Teil der Grenadier-Garde vom Königreich Österreich übernommen. Das Restkontingent wurde von Dessau aus, an welches das Fürstentum gefallen war, zu einer Militärkompanie umgewandelt.

1795 wird in Dessau als erste dauernde stehende Formation ein Jägerkorps errichtet, welches bis 1807 bestand.

Autor: Bernhard Hein - Dessau

Die napoleonischen Kriege 1805 - 1815

Gezwungen durch die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1806, an denen Anhalt nicht beteiligt war, traten die anhaltischen Fürsten am 30. Juli 1807 durch den Vertrag von Warschau dem Rheinbund bei. Der Artikel 5 des Vertrages legte folgendes fest: "Das Truppenkontingent der drei Herzogtümer von Anhalt wird auf den Kriegsfall auf 800 Mann Infanterie bestimmt, wovon Anhalt-Dessau 350 Mann, Anhalt-Bernburg 240 und Anhalt-Köthen 210 Mann zu stellen habe. Die Herzöge von Anhalt-Dessau haben die Direktion und Aufsicht über dieses Kontingent, welches zu dem gegenwärtigen Kriege sogleich gestellt wird".

Auf französisches Drängen mußte das Kontingent in größter Eile aufgestellt werden. Den Stamm bildete in Dessau das Jägerkorps. Dessau erhielt die Leitung und Aufsicht des zu bildenden Füsilier-Bataillon-Anhalt, das aus 5 Kompanien bestand.

1810 waren die Dessauer am spanischen Feldzug beteiligt. Am 14. September 1810 geriet das ganze Bataillon (noch etwa 400 Mann) im spanischen La Bisbal in Gefangenschaft. Ein Teil wurde von den Spanier in Spanien interniert, der andere Teil wurde von den Engländern zunächst in Mallorca, dann in Schottland gefangen gehalten. Nur 112 Soldaten überlebten diesen Feldzug und kamen dreieinhalb Jahre später nach Dessau zurück, aber nur um sofort in ein neues französisches Kontingent einzutreten.

1811 wurde das Bataillon Anhalt neu aufgestellt. Dieses Bataillon zog unter Napoleon zwischen 1812 und 1814 durch fast ganz Nord-Europa. Es kam mit in den großen Rückzug Napoleons aus Moskau und wurde 1814 in der zehnmonatigen Belagerung der Festung Danzig fast völlig aufgerieben. Nach Dessau kehrten nur 10 Offiziere und 132 Soldaten zurück.

Während dieses Bataillon Anhalt auf der Seite Napoleons kämpfen mußte, bzw. in der Festung Danzig festsaß, hatte sich Herzog Franz für die Herzogtümer Dessau und Köthen den verbündeten Preußen und Russen angeschlossen.

In größter Eile wurde im Frühjahr 1813 eine neues Anhaltisches Jägerbataillon aufgestellt, dessen Befehlshaber der russische Major von Krohn wurde und das dem russischen Korps Wallmoder unterstellt wurde. Nach kleineren Kämpfen kam diese Truppe im Januar 1814 nach Dessau zurück.

Schon vorher war man aber von der russischen Armee in die englische Armee des Grafen Bernadotte gewechselt. Ebenfalls im Sommer 1813 erzwang Napoleon von dem untreu gewordenen Fürstentum Anhalt nochmals die Aufstellung eines Regimentes. In aller Eile und mit sehr schlecht ausgebildeten Leuten wurde ein Chasseur-Regiment zu Pferde (Kavallerie-Regiment) mit 500 Mann aufgestellt. Dieses Regiment, der französischen 1. Armee zugeteilt wurde bereits am 30. August 1813 nach der Schlacht bei Kulm aufgelöst. Reste des Bataillons gerieten in österreichische Gefangenschaft.

Das Jahr 1813 hatte für das anhaltische Militär eine seltsame Konstellation. In Danzig kämpfte ein Bataillon mit Napoleon, in Mecklenburg focht ein Bataillon gleichzeitig gegen ihn, während sich zur selben Zeit bei Kulm ein drittes Truppenkontingent wieder für ihn opferte.

Als nach der Rückkehr Napoleons von Elba der Krieg mit Frankreich 1815 wieder aufflammte, wurden in Dessau und Köthen ein Linien- und ein Landwehr-Bataillon aufgestellt. Bernburg stellte außerdem zwei Linien- und zwei Landwehrkompanien. Diese Korps gelangten aber nicht mehr zum Einsatz, sondern fand nur bei Belagerungen und Besetzungen Verwendung. Am 5. Dezember 1815 trafen die anhaltischen Truppenteile wieder in ihren Garnisonen ein

Autor: Bernhard Hein - Dessau

Vom Deutschen Bund zum Norddeutschen Bund 1816 - 1870

Nach den Freiheitskriegen wurde in allen drei Herzogtümern die Truppenstärke auf ein Mindestmaß beschränkt. Man gehörte jetzt zum Deutschen Bund und so konnte mit Hilfe französischer Reparationszahlungen die nach der Bundesakte geforderten Kontingente aufgestellt und unterhalten werden. Jeder Landesteil hatte ständig mehrere Kompanien bei der Fahne zu halten:

  • Anhalt-Dessau -529 Mann Infanterie, davon 69 Jäger
  • Anhalt-Köthen - 325 Mann Infanterie, davon 42 Jäger
  • Anhalt-Bernburg - 370 Mann Infanterie, davon 48 Jäger
Diese drei Einheiten bildeten gemeinsam mit dem Kontingent von Hessen-Homburg das 6. und 7. Bataillon der Reserve-Infanterie-Division. Jedes Kontingent hatte aber seine eigene Verwaltung, Vorschriften und Bewaffnung. Auch die Uniformen waren unterschiedlich.

Das Dessauer Infanteriebataillon trug seit 1818 ein grünes Kollett (Feldjacke) mit schwedischen Aufschlägen in der gleichen Farbe, rosa Kragen und Schulterklappen sowie Metallknöpfe. Die Hosen waren anfangs grün, später grau mit rosa Streifen. Die Tschakos besaßen ein Pompom in den Farben der jeweiligen Kompanie (rot, weiß, grün, gelb). Die Offiziere trugen eine silber-grüne Schärpe und am oberen Tschakorand Silberstickereien.

Im Jahr 1847 war der letzte Herzog von Anhalt-Köthen kinderlos gestorben. Sein Herzogtum fiel, nachdem es sieben Jahre lang gemeinsam von Dessau und Bernburg regiert wurde, im Jahr 1854 endgültig an Dessau. Damit wurde auch das Köthener Militär Dessau unterstellt.

Die relativ lange Friedenszeit ab 1815 wurde 1849 durch die schleswig-holsteinischen Wirren unterbrochen. In deren Ergebnis führte der Deutschen Bundes einen Krieg gegen Dänemark. An ihm nahmen ein Bataillon Anhalt-Dessau und ein kombiniertes Bataillon Anhalt-Bernburg-Köthen teil. Nach einem Sommerfeldzug von reichlich drei Monaten kehrten die Anhaltiner Anfang August 1849 ziemlich wohlbehalten zurück.

Mitten in der Stadt befand sich die Leopoldkaserne, von der heute nur noch das große Eckgebäude F.v.Schill-Straße/Hans-Heinen-Straße vorhanden ist. Der Gebäudekomplex wurde 1852-55 erbaut und beherbergt heute das Sozialamt der Stadt. Hier war das Infanterieregiment 93 beheimatet. Der große Hof des ehemaligen Polizeipräsidiums Wolfgangstraße war der Exerzierplatz der Leopoldkaserne. Ein weiterer Exerzierplatz befand sich wenige Hundert Meter weiter nördlich an der Werderstraße, da dieses Areal lange Zeit unbebaut war. Das Regimentslazarett der 93er war im großen Eckgebäude Ecke Wolfgangstraße/Hans-Heinenstraße, später Sitz der Volkshochschule, untergebracht.

Es folgten wieder 15 Friedensjahre. Wichtig aus dieser Zeit sind: die endgültige Vereinigung der Dessauer und Köthener Kontingente unter Oberst Stockmarr 1854, die Mobilmachung wegen des italienischen Krieges 1859, die mehrfache Teilnahme der Anhaltiner an den preußischen Divisions- und Korpsmanövern ab 1857, und die endgültige Vereinigung der anhaltinischen Herzogtümer durch Leopold Friedrich im August 1863. Dadurch konnte auch das anhaltische Militär zu einem Regiment Anhalt, bestehend aus zwei Füsilierbataillonen zu vier Kompanien vereinigt werden.

Das 1. Bataillon lag in Dessau, das 2. in Bernburg, je eine Scharfschützenkompanie in Köthen und Zerbst. Die Uniform wurde vereinheitlicht und nach preußischem Muster vereinfacht. Auch sonst wurde eine völlige Angleichung an das preußische Militär vorangetrieben. Schon im September 1863 fand eine zweiwöchige eingehende Besichtigung des Regimentes durch den preußischen Generalleutnant von Wintzingrode statt.

Am Dänischen Krieg von 1864 waren anhaltische Truppen nicht beteiligt, da nur ein relativ kleines preußisches Kontingent aktiv wurde. Am 29. Februar 1864 wurde eine Militärkonvention mit Preußen geschlossen, wonach das anhaltische Regiment alljährlich durch einen preußischen General besichtigt und mindestens alle zwei Jahre zu Übungen der 7. Preußischen Division herangezogen werden sollte (natürlich unbeschadet seiner Zugehörigkeit zur Reserve-Infanterie-Division des Bundesheeres).

Im sogenannten Deutschen Krieg von 1866 stellte sich Herzog Leopold in letzter Minute auf Preußens Seite, die zur Besetzung der Bundesfestung Mainz zur Verfügung zu stellende Einheit wurde zurückgehalten und dem König von Preußen für den Feldzug zur Verfügung gestellt. Nach einigen Tagen Garnisonsdienst sowie der Besetzung von Torgau und Wittenberg wurde das anhaltische Regiment der preußischen Division des II. Preußischen Reservekorps zugeteilt, welches zur Main-Armee stoßen sollte. Auf dem Weg nach Nürnberg erfuhr man jedoch von den Friedensverhandlungen und begab sich auf den Rückweg.

Die Folge des Friedensschlusses war das Ende des Deutschen Bundes und die Gründung des Norddeutschen Bundes als direkter Vorläufer des Deutschen Reiches. Nun wurde mit Preußen eine neue Konvention getroffen. Danach wurde ein Infanterieregiment zu drei Bataillonen in der preußischen Normalstärke gebildet. Es erhielt den Namen Anhaltisches Infanterie Regiment und erhielt die Nr. 93 innerhalb des Norddeutschen Bundesheeres. Die Verwaltung und die laufende Unterhaltung wurde von Preußen übernommen, ebenso die Pensionskasse. Dafür hatte Anhalt Bundesbeiträge zu leisten. Auf Wunsch des Herzogs erhielt das Regiment den Namenszug L.F. mit der Krone auf den Achselklappen.

So wurde das Anhaltische Infanterie Regiment 93, das mit dem I. Bataillon in Dessau, dem II. in Bernburg und dem Füsilier-Bataillon in Zerbst lag, nun endgültig zu einem Truppenteil der preußischen Armee. In diesem bildete es zusammen mit dem Magdeburger Infanterie-Regiment 27 die 14. Infanterie-Brigade der 7. Division des IV. Armeekorps. In diesem Verband nahm das Regiment erstmals am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 teil.

Autor: Bernhard Hein - Dessau

Von der Reichsgründung bis zum I. Weltkrieg 1870 - 1914
Die Leopoldskaserne in Dessau in einer Aufnahme um 1900

Der Deutsch-Französische Krieg, an dessen Ende die Gründung des Deutschen Reiches stand, forderte wieder den Einsatz des anhaltischen Kontingents. Am 16. Juli 1870, als das Dessauer I. Bataillon gerade zu einer Felddienstübung ausgerückt war, traf der Mobilmachungsbefehl ein. Bereits am 25. Juli fuhr das gesamte Regiment mit der Bahn nach Mannheim ab. Von hier wurde durch die Pfalz und das nördliche Elsaß nach Frankreich hineinmarschiert. Nach einem kleineren, erfolglosen Gefecht, bei welchem die Grenzfestung Toul eingenommen werden sollte, ging es Ende August weiter in Richtung Sedan.

Am 30. August 1870 schlug das Regiment seine "größte Schlacht" des Krieges. In einer zeitgenössischen Quelle heißt es hierzu: "In frischem Draufgehen wurde zuerst das Dorf Beaumont genommen und dann in der Verfolgung die Höhe 918 westlich des Bois de Givodéau gestürmt". Das Regiment hatte in dieser Schlacht 33 Tote und 116 Verwundete zu beklagen.

Im letzten Kriegsabschnitt beteiligen sich die 93er an der Einschließung von Paris. Die französische Hauptstadt wurde auf Drängen Bismarcks, der ein rasches Ende des Krieges herbeiführen wollte, bevor eventuell die neutralen Staaten eingreifen konnten, belagert und beschossen. Die Bürger der Stadt versuchten, den Feind mit primitiven und improvisierten Waffen abzuwehren. Als aber die Versorgungslage in Paris immer katastrophaler wurde, kapitulierte die Stadt am 28. Januar 1871.

Bereits am 18. Januar 1871 war zur Demütigung des französischen Erbfeines die Ausrufung des ersten Deutschen Kaisers im Spiegelsaal von Versailles erfolgt. Dies war auch eine militärische Demonstration, da die kriegerischen Auseinandersetzungen ja noch nicht beendet waren. Zur Kaiserkrönung kamen nahezu alle deutschen Truppenteile mit ihren Regimentsfahnen. Etwa 500 Offiziere waren im Spiegelsaal anwesend und erwiesen dem Kaiser die Ehre.

Nach dem Fall von Paris wurde das Regiment noch zu Besatzungszwecken verwendet und kehrte erst im Juli nach Dessau zurück. Hier wurden zur gleichen Zeit die für die Zeit der Mobilmachung errichteten Ersatzformationen aufgelöst. Am 17. Juli 1871 war die Demobilisierung des Regimentes beendet und die Bataillone wieder auf Friedensstärke zurückgeführt.

Insgesamt hatte das Regiment 117 Mann in diesem Krieg verloren, also rund 4 Prozent der Ausrückstärke. Das waren sehr geringe Verluste, angesichts der gewaltigen Menschenopfer, welche den 93er im nächsten Krieg bevorstehen.

Der Friede von Frankfurt am Main, der am 10. Mai 1871 unterzeichnet wurde, beendete den Krieg zwischen Frankreich und Deutschland formell. Frankreich trat das Elsass (mit Ausnahme von Belfort) und einen Teil Lothringens einschließlich Metz an das Deutsche Reich ab und wurde zu einer Kriegsentschädigung in Höhe von fünf Milliarden Goldfranc verpflichtet; bis zur vollständigen Begleichung des Betrages sollten deutsche Besatzungstruppen in Frankreich verbleiben. Diese Auflage wurde im September 1873 zurückgenommen, und noch im selben Monat zogen die letzten deutschen Besatzungstruppen aus Frankreich ab.

Historische Postkarte zum 100 jährigen Bestehen des Anhaltischen Infantrieregiments No. 93 aus dem Jahre 1907

Es folgten nun 43 lange Friedensjahre, in denen sich das Wesen und die Form des Anhaltischen Infanterie Regimentes Nr. 93 nur sehr wenig änderten. Das Regiment blieb beim IV. Armeekorps, trat jedoch zur 8. Division, in der es mit dem Füsilier-Regiment 36 aus Halle gemeinsam die 15. Brigade bildete. Die einstmalig blauen Uniformen wurden allmählich durch die feldgrauen ersetzt. In bescheidenem Maße wurde es wie alle übrigen Infanterie-Regimenter mit Maschinengewehren ausgerüstet. Vereinzelt wurden für Strukturveränderungen des Heeres auch Mannschaften oder geschlossene Truppenteile an neue Truppenkontingente in Deutschland abgegeben. Im Jahr 1881 wurde zur Bildung des neuen Infanterie-Regimentes 98 die 12. Kompanie abgegeben und 1887 gab man die 2. Kompanie an das neue Regiment 136 ab.

1893 führte man in Anhalt auch die zweijährige Dienstzeit ein und errichtete gleichzeitig eine größere Anzahl von Halbbataillonen, die nun als IV. Bataillone zu den Regimentern gehörten. Grundlage war die vom Reich beschlossene Erhöhung der Stärke des Deutschen Heeres. In der Leopoldkaserne war jedoch kein Platz mehr. Man errichtete daher einige Baracken im Fachwerkstil und ein kleiner Exerzierhaus. Die Stadt stellte dafür unentgeltlich Grund und Boden zur Verfügung. Diese Militärbaracken standen auf dem Gebiet des heutigen Handwerkerviertel zwischen Eyserbeckstrasse und dem Kabelweg. Als die neue Kaserne am Rosenhof fertiggestellt war und Ende September 1898 eingeweiht wurde, zog das Halbbataillon um und die Stadt kaufte die Baracken zurück und errichtet Notunterkünfte für obdachlose Familien.

Diese Kaserne wird erstmalig im neuen Einzelhaussystem errichtet. 1912/13 erfolgte eine großzügige Erweiterung. Sie war bis 1914 Sitz des II. Bataillons des Anhaltischen Infanterieregiments Nr. 93. Im Jahr 1897 wurde ein großer Teil des III. Bataillons an das neu aufgestellte Infanterie-Regiment Nr. 152 abgegeben, der Rest kam nach Dessau und wurde hier mit der 13. und 14. Kompanie zusammen zum neuen III. Bataillon formiert.

Im Herbst 1898 kam durch das Eintreten des Oberst von Kracht das II. Bataillon von Bernburg nach Zerbst, wofür der Oberst Ehrenbürger der Stadt Zerbst wurde.

Autor: Bernhard Hein - Dessau

Die Dessauer Einheiten im I. Weltkrieg
Die Friedrichskaserne in Dessau in einer Aufnahme von 1906

Am 28.7.1914 erklärten Österreich und Deutschland Serbien und kurz darauf dem mit Serbien verbündeten Russland und Frankreich den Krieg. Die Kriegshandlungen begannen am 2. August 1914 ohne offizielle Kriegserklärung mit der Besetzung Luxemburgs durch deutsche Truppen. Anschließend rückte der rechte Flügel der deutschen Armee am 3./4. August in das neutrale Belgien ein. Die deutschen Truppen griffen Frankreich nicht direkt an, sondern marschierten durch das neutrale Belgien, worauf Großbritannien auch gegen Deutschland in den Krieg eintrat.

Zunächst beginnt der Vormarsch auf Paris im Verband des IV. Korps in der 1. Armee Kluck. Zu einer ersten Schlacht kommt es am 26. August 1914 mit den Engländern bei Beaumon. Am 4. September wird die Marne überschritten und es geht weiter nach Fontenelles südöstlich von Paris. Hier kommt am 5. September der Befehl an das IV. Korps zum Rückmarsch über die Marne. Auf dem Nordufer der Marne waren das IV. Reserve- und das II. Korps zurückgeblieben. Nach heftigen französischen Angriffen zieht General Kluck das IV. Korps mit den Dessauern hinter diese Front zurück. Nach schweren, mehrtägigen Kämpfen kann die erste Marneschlacht gewonnen werden.

Das Dessauer Regiment hat 110 Tote und 265 Verwundete zu beklagen. Obwohl am 9. September die französischen Truppen sich nach Paris zurückziehen, erzwingt der vom Generalstabschef Moltke entsandte Oberstleutnant Hentsch im Namen der Obersten Heeresleitung den Abbruch des Kampfes und den Rückmarsch der gesamten I. Armee hinter die Aisne, die Marneschlacht ist verloren gegeben. Nach schweren Abwehrkämpfen an der Aisne wird die 1. Armee umgruppiert. Die 93er treten mit dem IV. Korps zur 6. Armee (Kronprinz Rupprecht) über. Es beginnt der Wettlauf zur Nordsee, der schließlich für die Deutschen Ende des Jahres im Schlamm von Flandern endet.

Es folgt nun ein jahrelanger zermürbender Grabenkrieg bis zum Sommer 1917 ohne wesentliche Geländegewinne für beide Seiten. Mit der Übernahme des Oberbefehls durch Hindenburg und Ludendorff endeten diese Grabenkämpfe vorerst. Es kommt wieder zu größeren Schlachten. Die zweite Sommerschlacht, die Frühjahrsschlacht bei Arras (April bis Mai 1917), die Herbstschlacht 1917 in Flandern, sowie schwere Stellungskämpfe im Artois kosteten aber nicht annähernd so viel Opfer wie der Grabenkrieg.

Die Soldaten warteten auf eine große Entscheidungsschlacht, auf den endgültigen Sieg und ihre Heimkehr. Der deutsche U-Boot-Krieg gegen amerikanische Handelsschiffe und der deutsche Versuch, Mexiko zum Kriegseintritt zu bewegen, führten im April 1917 zum Kriegseintritt der USA. So ging das Jahr 1917 zu Ende, daß auch die Niederlage Rußlands brachte und damit Truppen für die Westfront freimachte. Nun entschlossen sich Hindenburg-Ludendorff zur großen Entscheidungsoffensive im Westen.

Am 21. März 1918 begann die große Schlacht in Frankreich und am 9. April die Schlacht an der Lys., an der auch die 93er teilnahmen. Aber der anfängliche Angriffsschwung erlahmte und die strategische Ziele konnten nicht erreicht werden. Zunehmend kamen amerikanische Soldaten und auch erstmals Panzer in großem Umfang bei den Alliierten zum Einsatz. Am 8. August kommt es zur entscheidenden Niederlage für das Deutsche Heer in der Schlacht bei Amines vom 8. bis 11. August 1918. In wenigen Stunden wird die Front gespalten und Tausende deutsche Soldaten kommen in Kriegsgefangenschaft. Hier setzten die Alliierten 450 Tanks ein. Die deutschen Truppen wurden von Engländern und Amerikanern nach Belgien und gegen die Maßstellung gedrängt.

Ab Oktober ging der Rückzug der deutschen Truppen immer schneller bis in die Nähe von Brüssel, wo die zusammengeschmolzenen Reste der Armee am 27./28. Oktober die Nachricht von der Abdankung ihres Kaisers und dem Waffenstillstand erreichte. Die Rückkehr nach Dessau erfolgt meist zu Fuß und zog sich fast zwei Monate hin. Das Regiment verlor insgesamt 4250 Soldaten und 142 Offiziere in diesem Krieg.

Autor: Bernhard Hein - Dessau

Die Zeit nach dem I. Weltkrieg

Die Zeit nach dem I. Weltkrieg ist auf Grund vielfacher politischer Wirren und der von den Siegermächten geforderten deutschen Entmilitarisierung sehr unübersichtlich. Daher soll in diesem Anschnitt eine Zusammenfassung der Ereignisse in Deutschland vorangestellt werden, welche die nachfolgende Darstellung der Verhältnisse und Ereignisse in Dessau etwas verständlicher macht.

  • Ende 1918 bis Sommer 1919 Bildung von Freiwilligenverbänden und Freikorps. Diese entwickeln sich spontan und unkoordiniert. Sie waren nicht von der deutschen Regierung oder vom preußischen Kriegsministerium initiiert.
  • 6. März 1919 Der Deutsche Reichstag beschloss das Gesetz über die Bildung einer Vorläufigen Reichswehr.
  • Sommer 1919 bis Ende September 1919 In dieser Zeit besteht die Vorläufige Reichswehr. Sie wird zum 1. Oktober 1919 in das Übergangsheer umgebildet. Die Verbände und Dienststellen des ehemaligen kaiserlichen Heeres werden aufgelöst.
  • 1. Oktober 1919 bis 31. Dezember 1920 Das Übergangsheer wird auf Grund der vorgeschriebenen Verminderung der Mannschaftsstärke neu aufgestellt. In einer ersten Stufe erfolgt die Reduzierung der Truppen auf 200.000 Mann, dieser Prozess verzögert sich jedoch durch den Kapp-Putsch. Im Sommer 1920 beginnt eine weitere drastische Reduzierung nun zum 100.000 Mann Heer. Diese Umbildung ist am 1. Januar 1921 abgeschlossen.
  • 1. Januar 1921 Die Zeit des Übergangsheeres fand mit einer völligen Neunummerierung aller Truppen ihr Ende und das neue Reichsheer mit 100.000 Mann begann seinen Weg in der schwierigen Periode der Weimarer Republik.

Was tat sich nun in Dessau nach dem Ende des Krieges? Am Sonntag, dem 23. Dezember 1918 rückte das Regiment mit seinem Regimentskommandeur, Major von Sichart, in Dessau ein. Die Entlassung vieler Mannschaften war bereits auf dem Rückmarsch erfolgt. Der Rest wurde, soweit die Dienstzeit abgeleistet war, in den Garnisonen entlassen, mit Ausnahme der Jahrgänge 1896/97.

Das II. Bataillon verblieb bis nach Weihnachten in Dessau und wurde danach in seinen Garnisonsort Zerbst in Marsch gesetzt. Die eigentliche Auflösung des Regiments erfolgte am 9. Januar 1919. Nach dieser wurden Abwicklungsstellen gebildet. Am 23. März wurde die endgültige Entmilitarisierung angeordnet. Diejenigen Unteroffiziere und Mannschaften, die noch zu dienen hatten, traten zur Neuformation, dem Bataillon Anhalt, das in der Friedrichskaserne Unterkunft bezogen hatte, über. Alle sonst verbliebenen Verbände wurden am 1. April 1919 zu einer Wirtschaftskompanie IR 93 vereinigt. Diese bestand jedoch nur bis zum 30. April 1919.

Die sogenannte "Volkswehrkompanie" in der Friedrichskaserne, die sich vorübergehend bildete, hatte nichts mit dem IR 93 zu tun.

Am 1. Mai traten alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften zur neu gebildeten Rumpfformation über. Diese Formation war eine Freiwilligenformation. Diese freiwilligen Verbände beteiligten sich auch an den Unruhen in Deutschland während der Novemberrevolution und in den folgenden Monaten. Das aus den Resten der 93er gebildete Bataillon-Anhalt wurde in das Freiwillige Landesschützen-Korps des Generalmajors von Roeder integriert und kommt u.a. im Januar 1919 bei den Unruhen in Berlin zum Einsatz. Weitere Einsätze fanden im Februar 1919 in Bremen und im Ruhrgebiet statt.

Aus dem Freiwilligen Landesschützen-Korps wurde dann in Magdeburg etwa im Juni 1919 die Reichwehrbrigade 4 der Vorläufigen Reichswehr. Bei der Überführung in das 100.000 Mann Heer entsteht in Dessau das Reichswehr-Schützen-Regiment Nr. 8. Dazu gehören das I. Bataillon in Zerbst, das II. Bataillon in Magdeburg sowie das III. Bataillon in Dessau, weiterhin eine Minenwerfer-Kompanie in Zerbst. Weiterhin gehören zur Reichswehr-Brigade 4 das Pionier-Bataillon Nr. 4 mit dem Stab in Magdeburg sowie einer Batterie der II. Abteilung in Dessau.

Gedenkstein zur Erinnerung an die Gefallenen des Infanterie Regiment 93 in Dessau

Die Auflösung der Abwicklungsstellen und aller sonstiger Verbände erfolgte am 30. September 1920. Am 1. Oktober 1920 fand die Abgabe aller Akten und Unterlagen des früheren Regimentes an das Abwicklungsamt Magdeburg statt; von hier wurden die Akten dem Reichsarchiv in Potsdam übergeben. Wie schon erwähnt, wurden während des Rückmarsches aus Frankreich Ende 1918 Offiziere und Mannschaften aus dem Regiment entlassen. Etwa 90 Mann traten am 7. Dezember 1918 zum Freiwilligen-Verband Hauptmann von Pavels über, der sich auch noch aus anderen Truppenteilen ergänzte. Dieser Verband wurde zum Grenzschutz Ost verlegt in die Grafschaft Glatz. Zu Kämpfen mit den Tschechen ist es jedoch nicht mehr gekommen. Der Verband wurde dann Ende Januar 1919 in das Reichswehr-Regiment Nr. 92 übernommen und kam bis März 1920 nach Breslau.

Am 21. Mai 1922 weihte man in Dessau das Ehrenmal zur Erinnerung an die Gefallenen des IR 93 ein. Es befand sich auf der Rückseite der Johanniskirche. Ein blockartiger, gewaltiger Findling, gekrönt vom Eisernen Kreuz, ruhte auf kleineren Findlingen. Auf dem Stein befand sich die Inschrift: "Gott, Ehre und Vaterland", darunter ein Lorbeerzweig. Auf der Rückseite stehen die Worte: "1922 - In Treue den toten Helden des Anhaltregiments und des Anhaltlandes". Sieben eiserne Tafeln mit den Namen der Kampforte und -tage umrahmten das Denkmal im Halbkreis.

Autor: Bernhard Hein - Dessau